Die sich in letzter Zeit häufenden und leider nicht besonders kritischen Verweise auf Ayn Rands Kapitalismus- und Egoismusphantasien machen hellhörig. Erst wird (sogar in der SZ, S.3!) eine deutsche Übersetzung von "Atlas Shrugged" mit unverhohlener Bewunderung für den "selbstlosen" jungen Selfmade-Herausgeber quasi gefeiert, dann liest man den Namen Ayn Rand mit dem irreführenden Zusatz "Philosophin" praktisch in jedem Artikel über den amerikanischen Wahlkampf und dann musste man im SZ-Feuilleton einen ziemlich unkritischen Text über den Einfluss Ayn Rands auf die amerikanischen Konservativen lesen. Man fragt sich, ob SZ-Autoren mittlerweile gänzlich zu heimlichen Rand-Bewunderern mutiert sind und hin und wieder testen, ob die Stimmung an der Leserfront bereit ist für offenere Bekenntnisse.
Da ich es leider in den erwähnten Texten nicht finden konnte, muss ich auf diesem Wege korrigierend eingreifen: Ayn Rands Phantasien, haben mit der Wirklichkeit nicht mehr zu tun als z.B. Tolkiens "Herr der Ringe" oder etwa Hitlers "Mein Kampf" (mit dem "Weltjudentum" als Verursacher aller Miseren der Welt), weil sie verantwortungslos und unwissenschaftlich auf falschen Behauptungen und also Lügen gründen. Die Kapitalisten haben eben gerade nicht "alles gegeben" (wie Rand behauptet) an die "Verlierer", "Nassauer", "Schmarotzer", "Plünderer", sondern haben von vorneherein alles genommen und damit erst Armut geschaffen. Die Kapitalisten waren nicht "stets die Gebenden" (wie bei Rand behauptet wird), sondern stets und von vorneherein die Nehmenden und Ausbeutenden, genauso, wie die sogenannte 1. Welt seit Jahrhunderten den Rest der Welt schamlos und eigennützig ausbeutet und ihm alle Entwicklungsmöglichkeiten immer wieder gestohlen hat. Und im übrigen ist die Schlussfolgerung aus all dem Rand'schen Kapitalistenkitsch sogar auch noch sehr dumm, denn das gemeine Volk, von dem sich die Kapitalisten laut Rand abwenden sollen ("We do not need you!"), wird sehr wohl "gebraucht", nämlich als möglichst dumme und ungebildete Verbraucher- und Konsumentenmasse.
Und ein wenig zuvor mit anderem Adressaten:
An die Ayn Rand-Enthusiasten: Es ist fahrlässig und kurzsichtig die in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, aus einer im russischen Stalinismus traumatisierten Kinderseele heraus, entwickelten und formulierten Ideen Ayn Rands zu gesellschaftlich unkontrollierter, ungezügelter, freier Entfaltungsmöglichkeit des profitorientierten und also naturgemäß egoistischen Unternehmerindividuums, auf heute zu übertragen. Es stehen den unternehmenslustigen Individuen heute Technologien zur Verfügung, die ein wesentlich gewaltigeres Gefährdungspotenzial für die Lebensgrundlagen von Mensch und Natur in sich tragen, als zu Zeiten Ayn Rands. Obwohl wir tatsächlich fast überall auf der Welt wesentlich strengere Kontrollen und Genehmigungsverfahren für industrielle Unternehmungen haben, als aus den Rand‘schen Wunschvorstellungen herausgelesen werden können, kommt es immer wieder zu immer katastrophaleren Ereignissen mit ungeheuer verheerenden Folgen für Mensch und Natur, weil ungezügelte Unternehmer eben andere Prioritäten haben als betroffene, unbeteiligte potenziell Geschädigte. Die Katastrophen von Exxon (Exxon Valdez), BP (Deepwater Horizon), Tepco (Fukushima), den global agierenden Großbanken (Banken-, Finanzkrise) und viele andere, führen uns immer wieder vor Augen, dass die Initiativen der freien Unternehmen naturgemäß immer zu kurz gedacht sind und mögliche Gefahren in den Entscheidungsgremien wegen der verlockenden Profitprognosen immer verharmlost werden und auf die leichte Schulter genommen werden, zumal für Schadensregulierung bei den erwähnten Katastrophen die Verursacher nie im vollen Umfang herangezogen werden können. Angesichts der rasend schnellen technischen Entwicklungen, deren Gefahrenpotenzial entsprechend schwer überschaubar ist, sind die Schlussfolgerungen aus Rands Thesen, die zu mehr freier, unkontrollierter, ungezügelter Initiative des Unternehmerindividuums führen soll, genau falsch. Wir brauchen mehr gesellschaftliche Kontrolle und nicht weniger. Die bundesrepublikanische „soziale“ Marktwirtschaft war ein guter Ansatz für einen Mittelweg zwischen unternehmerischem Egoismus und gesamtgesellschaftlicher Verantwortungsbereitschaft. Dass wichtige Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr ausgehöhlt wurden, kann ihr heute nicht angelastet werden. Vielleicht wäre es hilfreich den Begriff zu harmonisieren und statt „soziale“ „gemeinschaftliche“ Marktwirtschaft zu sagen, dann wäre all denen das rote Tuch genommen, die in allem, was auch nur ansatzweise den Begriff sozial enthält sofort den fehlentwickelten planwirtschaftlichen Kommunismus des verschwundenen Ostblocks vermuten.
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