8. Oktober 2014

Aus "Schwarzes Loch" von Thomas Gollas S.75

Kaum die Wohnungstür hinter sich zugedrückt, so Merz, seien alle aufkeimenden, positiven Gefühle jedesmal wieder wie weggeblasen gewesen. Die Stille habe sofort jeden zarten Hoffnungskeim erstickt. So müsse man sich wahrscheinlich die Gefangenschaft in einer Gummizelle vorstellen. Auf seinem schwarzen Sofa sitzend, dem leisen Knacken des Heizkörpers ausgeliefert, habe er dann leise und in fassungsloser Verzweiflung mehrmals und immer wieder kopfschüttelnd Scheiße – Scheiße und Unglaublich vor sich hin gemurmelt. Der Gitarrist, irgendwo im Haus, mit seinen Übungen. Von der Straße, gedämpft, die Geräusche der Autos. Drei leise Schläge der Kirchturmuhr und dazwischen sein grundlos rasender Herzschlag. Viertelvorneun. Weit entfernt, aber doch im Haus, menschliche Stimmen. Lachende, offenbar fröhliche Leute, irgendwo ganz in der Nähe, aber unerreichbar. Es habe eine solch unvorstellbare Verzweiflung geherrscht, so Merz, daß er es gar nicht sagen könne. Ohne Zweifel, ein unbeschreiblich trostloses Elend. Und es war Winter jetzt. Seit Wochen schon, eisige Kälte in Mitteleuropa. Zweistellige Minusgrade. Meldungen von erfrorenen Menschen. Eisregen. Glatteis. Verkehrschaos. Schneefälle am Mittelmeer. Überall diese alles lähmende, gegen das Leben gerichtete, tödliche Umklammerung eines mörderischen Frostes.

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