Kaum die Wohnungstür hinter sich zugedrückt, so Merz, seien alle
aufkeimenden, positiven Gefühle jedesmal wieder wie weggeblasen gewesen. Die
Stille habe sofort jeden zarten Hoffnungskeim erstickt. So müsse man sich
wahrscheinlich die Gefangenschaft in einer Gummizelle vorstellen. Auf seinem schwarzen
Sofa sitzend, dem leisen Knacken des Heizkörpers ausgeliefert, habe er dann
leise und in fassungsloser Verzweiflung mehrmals und immer wieder kopfschüttelnd
Scheiße – Scheiße und Unglaublich vor sich
hin gemurmelt. Der Gitarrist, irgendwo im Haus, mit seinen Übungen. Von der
Straße, gedämpft, die Geräusche der Autos. Drei leise Schläge der Kirchturmuhr und
dazwischen sein grundlos rasender Herzschlag. Viertelvorneun. Weit entfernt,
aber doch im Haus, menschliche Stimmen. Lachende, offenbar fröhliche Leute,
irgendwo ganz in der Nähe, aber unerreichbar. Es habe eine solch unvorstellbare
Verzweiflung geherrscht, so Merz, daß er es gar nicht sagen könne. Ohne
Zweifel, ein unbeschreiblich trostloses Elend. Und es war Winter jetzt. Seit
Wochen schon, eisige Kälte in Mitteleuropa. Zweistellige Minusgrade. Meldungen
von erfrorenen Menschen. Eisregen. Glatteis. Verkehrschaos. Schneefälle am Mittelmeer.
Überall diese alles lähmende, gegen das Leben gerichtete, tödliche Umklammerung
eines mörderischen Frostes.
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