Als er noch ein junger Werber war, musste er einmal ein neues
Konzept bei den wichtigsten Vertretern eines großen, mächtigen,
Fachhandelsverbands für Metzgereien und Fleischereien präsentieren. Die
Konferenz fand statt, in einer großen, fast schlossähnlichen Villa, irgendwo im
Rheinischen. Als er mit seinem Kunden, einem amerikanischen Hersteller von
Wursthüllen, in den Konferenzraum trat, konnte er sich, beim Anblick der, um
einen großen runden Tisch locker zusammen stehenden alten reichen Männer, des
beklemmenden Eindrucks nicht erwehren, er sei im innersten Zirkel einer
Mafia-Paten-Familie angekommen. Die Herren rauchten dicke Havannas und tranken
teuersten Cognac und Whisky. Der offensichtliche Oberboss und Leitwolf, um den
herum die anderen versammelt waren, spielte und fingerte locker und beiläufig
mit einem Gehstock herum, dessen goldener Knauf einen Löwenkopf darstellte. Auf
seinem Mittelfinger steckte ein dicker Siegelring und die ganze Erscheinung
erinnerte ihn einerseits an Marlon Brando als später Don Corleone, andererseits
aber auch an seinen Großvater mütterlicherseits, der als angesehener Wirt und
Metzger und als, wie gesagt wird, Honoratior
seines Heimatdorfs, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, laut Erzählungen seiner
Mutter, immer großen Wert auf seine äußere Erscheinung gelegt habe. (Dessen
Zigarrenspitze aus einem bernsteinfarbigen Mundstück und einem silbernen Steckring,
nebst passendem Futteral sowie ein Zigarrenetui aus Leder mit der Stickerei
eines Blumenmotivs auf der Lasche für die Zigarren, sei heute noch in seinem
Besitz.)
Sein Kunde, ebenfalls schon ein älterer Herr, kurz vor dem
Ruhestand, war den anderen schon bekannt, wurde begrüßt und stellte ihn als
seinen neuen Berater in Werbedingen vor. In den neugierigen und zum Teil
überraschten Blicken der Herren, meinte er die kaum verhohlene Arroganz zu
entdecken, wie sie ältere und wie gesagt wird gestandene Männer gerne zeigen, wenn sie es mit so genannten Grünschnäbeln zu tun bekommen.
Der Leitwolf und offensichtlich der Gastgeber des Meetings,
bat alle an den Tisch. Die Männer setzten sich und sein Kunde erklärte in einer
kurzen Einführung, dass er ihn mitgebracht habe, weil er den Herren eine
ungewöhnliche, neue Werbemaßnahme seines Unternehmens vorzustellen habe, die,
aus seiner Sicht, in der Branche und in Fachkreisen Furore machen und zum Vorteil
aller gereichen werde. Er nickte grüßend in die Runde und konnte
glücklicherweise sein lähmendes Lampenfieber schnell überwinden, denn er hatte
am Tag zuvor dieses Konzept schon mit Erfolg den 80 Außendienstmitarbeitern seines
Kunden, wie gesagt wird, verkauft und
fühlte schnell eine erlösende Routine, obwohl die einschüchternde
Mafia-Paten-Atmosphäre zwischen diesen, mit allen Wassern eines langen
Geschäftslebens gewaschenen, alten Füchsen, ehrfurchtgebietend weiterhin
vorherrschte.
Als er seinen Vortrag, der ohne jegliche Zwischenfrage
interessiert angehört worden war, beendet hatte, herrschte gefühlt ein
minutenlanges Schweigen, denn niemand traute sich, als Erster das Wort zu
ergreifen. Kurz vor dem Moment als es peinlich zu werden drohte, stand Don
Corleone, beziehungsweise der Großvater mütterlicherseits ächzend auf, und
sagte, auf seinen Stock gestützt, mit einer dünnen Fistelstimme in die Runde:
„Schön, dass es noch junge Leute gibt, die mitdenken können.“
Erlöst und erleichtert, trauten sich nun auch die anderen
aus der Deckung und zollten, einer nach dem anderen, dem Konzept lobende Anerkennung.
Die Sache war, wie man sagt, gelaufen.
Ziemlich am Ende seines Vortrags sei ihm nicht entgangen,
dass einer der Herren, sich knapp entschuldigend, den Raum verlassen habe und
nun wieder hereingekommen sei. Sein Kunde habe ihm, in dem nun herrschenden allgemeinen
Stimmengewirr, ins Ohr geraunt: „Wissen sie, was der gerade gemacht hat?“ „Nein?“
habe er fragend zurückgeflüstert, worauf ihm sein Kunde verraten habe: “Der hat
sofort unsere Konkurrenz angerufen, als er merkte, dass unser Konzept tragfähig
ist und brühwarm davon berichtet. Wetten?“
Ziemlich beeindruckt sei er gewesen von diesem ernüchternden Beispiel
aus dem, wie man sagt, knallharten
Geschäftsleben und diese Erfahrung habe er trotz des momentanen Erfolgs
dann bald zum Anlass genommen, seine Karrierepläne zu ändern. Er wollte nicht
mehr häufiger als unbedingt nötig, zu tun haben mit Politik, Intrigen,
Verrätern, Mächtigen und überhaupt Geschäftsleuten in Anzug und Krawatte. Er
wollte fortan seine berufliche Tätigkeit soweit es ging, beschränken auf die
Arbeit am Schreibtisch, im so genannten stillen
Kämmerlein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.